Die steuerfreie Übertragung des Familienheims

„Oma ihr Häuschen muss steuerfrei bleiben“. Mit dieser Aussage wurde während des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform der Erbschaftsteuer immer wieder verdeutlicht, dass die Übertragung von Immobilien der sog. „kleinen Leute“  im Todesfall oder bei Schenkungen weiterhin von der Steuer befreit sein sollen.  Im Prinzip stimmt diese Aussage. Leider muss man dennoch im Einzelfall ein Augenmerk auf die tatsächlichen erbschafts- und schenkungsteuerlichen Vorschriften legen.

Neu ist zunächst, dass neben der Schenkung unter Ehegatten auch die Zuwendung eines Familienheims von Todes wegen an den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner von der Erbschaftsteuer befreit ist, wenn das Familienheim im Zeitpunkt des Erbfalls vom Erblasser selbst genutzt wurde oder dieser aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert war.

Voraussetzung: „Familienheim“

Die steuerliche Einordnung als „Familienheim“ setzt voraus, dass die Ehegatten die Wohnung gemeinsam, gegebenenfalls mit zum Haushalt gehörenden Familienmitgliedern, insbesondere Kindern, Enkeln, Eltern und Schwiegereltern, nicht nur vorübergehend bewohnen.  In der Wohnung muss sich der Mittelpunkt des familiären Lebens beider Ehegatten oder Lebenspartner befinden. Dies ist auch dann zu bejahen, wenn einer der Ehegatten berufsbedingt während der Woche an seinem Beschäftigungsort lebt und sich nur am Wochenende und während der arbeitsfreien Zeit in der gemeinsamen Wohnung aufhalten kann. Zweitwohnungen, Ferien- oder Wochenendhäuser stellen demnach kein Familienheim dar und sind insofern nicht steuerfrei.

Eine Wertobergrenze gibt es beim Wert des übertragenen Teils nicht.

Durch die Übertragung des Familienheims können deshalb Vermögensverschiebungen in unbegrenzter Höhe unter Ehegatten schenkungsteuerfrei vorgenommen werden.

Voraussetzung: vorherige und spätere „Selbstnutzung“

Die Steuerbefreiung setzt weiter voraus, dass das Familienheim vor der Übertragung vom Übergeber selbstgenutzt wurde und dass das Objekt beim Übernehmer unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.

Eine Vermietung ist steuerschädlich.

Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit anteilig weg, wenn und soweit der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.

Als zwingende Gründe, die einer Selbstnutzung entgegenstehen, kommen solche in Betracht, die es dem Übergeber unmöglich machen, im bisherigen Familienheim weiterhin seinen Lebensmittelpunkt zu belassen. Dazu zählen vor allem gesundheitliche Einschränkungen, die umfassende Betreuung erfordern und einen weiteren Verbleib in der Familienwohnung als nicht länger zumutbar erscheinen lassen. Dies ist etwa der Fall, wenn der pflegebedürftige Erblasser zu seinen Kindern oder in ein Pflegeheim zieht. Das Gleiche gilt, wenn er auf Grund einer neu aufgetretenen Behinderung in eine behindertengerechte Wohnung umziehen muss.

Nach der Übertragung durch Schenkung oder Erbfall  müssen auch die Begünstigten das Objekt „selbst nutzen“. Gibt der Begünstigte diese Nutzung innerhalb von zehn Jahren auf, fällt die Steuerbefreiung rückwirkend weg. Es kommt zur Nachversteuerung des Erwerbs. Ein Verstoß gegen die Selbstnutzungsfrist von zehn Jahren liegt vor, wenn das Familienheim längere Zeit leersteht, veräußert oder fremdvermietet wird.

Ein Verlassen des Familienheims durch den überlebenden Ehegatten ist nur dann unschädlich, wenn dieser durch zwingende Gründe an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.

Als zwingende Gründe, die eine Selbstnutzung durch den Begünstigten unmöglich machen  gelten die gleichen Grundsätze wie beim Übergeber selbst (siehe oben), z.B. auch wenn das Wohnobjekt infolge eines Umstands, den der Erwerber nicht zu vertreten hat, vollständig zerstört oder zumindest für längere Zeit unbewohnbar wurde. Es bleibt abzuwarten, ob berufliche Veränderungen des Erwerbers die Annahme eines zwingenden Grundes rechtfertigen. Wird etwa der länger lebende Ehegatte durch seinen Arbeitgeber von Saarbrücken nach Berlin versetzt, so ist es ihm in der Regel unmöglich, das in Saarbrücken belegene Familienheim weiter zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen.

Problem:  Erwerb durch Kinder oder Enkel im Todesfall

Eine lebzeitige Zuwendung, wie sie für Ehegatten steuerbefreit ist, bleibt hingegen bei Kindern und Kinder verstorbener Kinder weiterhin voll steuerpflichtig. Beim Erwerb von Todes wegen (Erbe, Vermächtnis, Auflage) durch Kinder oder Kinder verstorbener Kinder gilt die Steuerfreiheit darüberhinaus nur, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt.

Sind beispielsweise beide Kinder des Erblassers Miterben eines Familienheims zu gleichen Teilen geworden, so kann die Steuerbefreiung nur beanspruchen, wer auch tatsächlich unverzüglich einzieht. Hier sind Probleme unter den Erben und mit dem Finanzamt vorprogrammiert.

Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf 200 m² ist objekt- und nicht personenbezogen. Auch bei einer Wohnfläche von 400 m² und zwei Miterben zu je 1/2 beschränkt sich die begünstigte Wohnflache auf 200 m² mit der Maßgabe, dass jeder Miterbe lediglich einen hälftigen Anteil  an der begünstigten Wohnfläche von 200 m² erwirbt.

Beispiel:

Erblasser E vererbt seiner Ehefrau F und seiner Tochter T  je zur Hälfte ein bis dahin selbstgenutztes Einfamilienhaus mit einem Grundbesitzwert von 500.000 Euro und einer Wohnflache von 300 m². Beide nutzen das Haus mehr als zehn Jahre nach dem Erbfall.

Der hälftige Erwerb der Ehefrau F ist in voller Höhe befreit (250.000 Euro), da bei Ehegatten keine Wohnflächenbegrenzung besteht. Der hälftige Erwerb der T (250.000 Euro) in nur zu 2/3 (166.666 Euro) befreit, da bei Kindern die Befreiung auf eine Wohnfläche von 200 m² begrenzt ist. Dies entspricht 2/3 der Gesamtflache von 300 m².

Der Autor: Rechtsanwalt Andreas Abel ist Fachanwalt für Steuerrecht.  Er bearbeitet schwerpunktmäßig Mandate im Erbrecht und Steuerrecht, insbesondere betreut er in der Fachanwaltskanzlei Wagner | Abel  die Gestaltung von Testamenten,  Unternehmensnachfolgen, Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten.

E-Mail: abel(at)erbrecht-saar.de