Handgeschriebene Testamente, die ohne vorherige Beratung durch Erbrechtsanwälte erstellt wurden, provozieren regelmäßig im Erbfall Streitigkeiten. Es geht um die Frage: was wollte uns der Verfasser des Testaments tatsächlich sagen? Versuchen Sie doch mal das nachfolgende Rätsel zu lösen.
Der Verstorbene hat ein eigenhändig errichtetes Testament hinterlassen, das folgenden Wortlaut hat:
„Ich bestimme, dass meine Lebensgefährtin L meine Alleinerbin meines finanziellen Vermögens sein soll. Meine Häuser sollen meine beiden Töchter T1 und T2 erben.“
Die Frage an Sie lautet: Wer soll im Erbschein als Erbe stehen und zu welchen Anteilen? Überlegen Sie selbst,bevor Sie weiterlesen.
Mehrere Varianten sind denkbar:
Lösung 1
Durch die Tatsache, dass der Erblasser bei der Lebensgefährtin von Alleinerbin spricht, könnte man dem Wortlaut folgend zum Ergebnis gelangen, dass sie tatsächlich die einzige Erbin ist, aber verpflichtet sein soll, aus dem Nachlass an die beiden Töchter die Häuser zu übertragen. Die Töchter hätten in diesem Fall einen sogenannten Vermächtnisanspruch, also eine Forderung gegen die Erbin L auf Übertragung der beiden Häuser. Die weitere Frage die sich dann stellt: Bekommt jede Tochter ein Haus oder werden beide Töchter zu je ½ Eigentümer an beiden Häusern. Dadurch wird provoziert, dass eine Eigentümergemeinschaft an den Häusern entsteht, die ebenfalls Streitpotenzial birgt.
Lösung 2
Alle drei genannten Personen imTestament sollen nach dem Wortlaut „erben“. Damit kann man auch die Auffassung vertreten, dass alle drei Personen im Erbschein als Erben benannt werden müssen und der Erblasser nur vorgegeben hat, wie der Nachlass unter den Erben zu verteilen ist (sog. Teilungsanordnung).
Doch zu welchen Anteilen sollen die drei Personen im Erbschein ausgewiesen werden? Die einfachste Lösung wäre alle drei zu gleichen Teilen, also zu je einem Drittel. Es könnte sich jedoch nach dem Wunsch des Erblassers auch um eine wertmäßig unterschiedliche Erbeinsetzung handeln. Mir sind schon Fälle untergekommen, in denen das Nachlassgericht verlangt hat, die Immobilien bewerten zu lassen, um deren Werte im Verhältnis zum finanziellen Vermögen des Erblassers zu stellen, damit letztlich aus den einzelnen Werten die Erbquoten ermittelt werden können. Sie sehen: Ein Riesenaufwand, der mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Lösung 3
Hätte der Erblasser kein Testament errichtet, hätten die beiden Töchter als gesetzliche Erben geerbt, sodass man auch die Auffassung vertreten könnte, dass nur die beiden Töchter Erben zu je 1/2 sind, jedoch verpflichtet sind, aus dem Erbe das gesamte finanzielle Vermögen wiederum als Vermächtnis (siehe Lösung 1) an die Lebensgefährtin L auszuzahlen.
Fazit
In all diesen Fällen, in denen das Testament dahingehend ausgelegt werden muss, was der Erblasser tatsächlich gewollt hat, muss durch das Nachlassgericht nach dem Tod der Erblasserwille ermittelt werden. Möglicherweise müssen sogar Zeugen über lebzeitige Aussagen des Erblassers vernommen werden, um festzustellen, was dessen tatsächlicher Wille war. Man kann sich vorstellen, solche streitigen gerichtlichen Verfahren hoch emotional sind und die möglicherweise noch locker bestehenden Bindungen unter den möglichen Erben durch das Verfahren endgültig zerbrechen.
Mein Rat: sich im Zusammenhang mit der Erstellung des Testamentes fachlich, idealerweiser durch einen Fachanwalt für Erbrecht oder ein Notar beraten lassen. Das dafür anfallende Honorar ist besser investiert, als die Kosten für einen jahrelangen Erbstreit –provoziert durch ein gut gemeintes, aber schlecht gemachtes Testament.