Die Ausnutzung eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses bei Errichtung von Verfügungen von Todes wegen stellt ein großes praktisches Problem dar. Gerade bei Personen, die unter gesetzlicher Betreuung durch Familienfremde stehen und möglicherweise alleinstehend sind, kommt es nicht selten zu Testamenten, in denen die Betreuerin/der Betreuer oder deren Hilfspersonen zum Erben eingesetzt wurden. Ob in solchen Fällen das Testament wegen Sittenwidrigkeit von den gesetzlichen Erben anfechtbar ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden.
Erbschleicherei ist umgangssprachlich ein gängiger Begriff. Gesetzlich verboten ist es aber lediglich, Mitarbeiter des Pflegeheims, in dem der Verstorbene gepflegt wurde, einzusetzen. Solche Erbeinsetzungen sind nichtig. Wenn ein unter Betreuung stehender Mensch seinen berufsmäßigen Betreuer zum Erben einsetzt, ist dies zunächst gesetzlich nicht verboten.
Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Celle kann jedoch ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ sittenwidrig sein, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen (OLG Celle, Urteil vom 7.1.2021 – 6 U 22/20)
Das OLG Celle hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem ein 79 Jahre alter, unverheirateter und kinderloser Mann, aufgrund zunehmender Verwirrtheit am 29.12.2004 in die Psychiatrie verlegt und eine Betreuung angeordnet worden war. Bereits vier Monate nach der Bestellung als Betreuerin wurde seine Betreuerin, eine Rechtsanwältin, in einem notariellen Testament zur Erbin eingesetzt. Nach Auffassung des Gerichts war die Erbeinsetzung wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Das OLG Celle sieht in seiner Entscheidung Erbeinsetzungen eines berufsmäßigen Betreuers dann als sittenwidrig an, wenn der Betreuer seine Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf einen leicht beeinflussbaren Betreuten benutzt, um Verfügungen zu seinen Gunsten in einem notariellen Testament zu erzielen. Zu bewerten seien dabei insbesondere die Umstände des Zustandekommens des Testamentes. Es muss also immer der einzelne Fall beleuchtet werden. Allgemein ist die Erbeinsetzung eines Betreuers damit nicht zwingend als nichtig zu qualifizieren.
Die Entscheidung ist in der juristischen Literatur nicht unumstritten geblieben. Ob der Bundesgerichtshof den Fall ähnlich entschieden hätte, bleibt unklar.
Der Gesetzgeber hat das Problem der Gefahr der Beeinflussung des freien Willens eines Betreuten durch den Betreuer oder die Betreuerin ebenfalls erkannt: der zukünftig geltende § 30 BtOG (Betreuungsorganisationsgesetz) untersagt Zuwendungen an berufliche Betreuer. Nicht geklärt ist jedoch die Frage, ob diese Vorschrift auch bei Zuwendungen an Hilfspersonen, die im Auftrag des Betreuers Erledigungen für die betreute Person macht, oder den Ehegatten des Betreuers, gilt.
In dem ab dem 1. Januar 2023 geltenden Betreuungsgesetz ist es einem beruflichen Betreuer untersagt, von dem betreuten Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen aber auch neuerdings Zuwendungen im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen. Dies bedeutet, dass zukünftig Zuwendungen an den Betreuer in einem Testament untersagt sind, es sei denn es handelt sich um eine geringwertige Aufmerksamkeit.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass in Fortführung und Anwendung der Grundsätze des OLG Celle auch andere Testamente als sittenwidrig angesehen werden müssen, bei denen das besondere Vertrauensverhältnis oder die physisch und psychisch hilflose Lage des Betreuten durch den Betreuer ausgenutzt wird. Das kann für ehrenamtliche Betreuer, aber auch für Pflegepersonen außerhalb des Heimrechts (ambulante Pflege, für Ärzte, Vermögensberater und Seelsorger) gelten.