Ein Schicksalsschlag durch Krankheit, Unfall oder Demenz kann jeden sehr schnell treffen. Dann müssen oft in kürzester Zeit lebenswichtige Entscheidungen getroffen werden. Wenn der Betroffene selbst seinen Willen nicht mehr äußern kann, stellt eine zuvor erstellte Patientenverfügung für alle Beteiligten eine große Hilfe dar.
Jeder Heileingriff eines Arztes stellt grundsätzlich rechtlich eine Körperverletzung dar. Der Arzt macht sich strafbar. Seine Behandlung ist nur gerechtfertigt, wenn der Betroffene in die Behandlung einwilligt. Ist der Patient jedoch handlungsunfähig, muss der Arzt den mutmaßlichen Willen des Betroffenen erforschen. Eine Patientenverfügung erleichtert dem Arzt die Entscheidung.
Erklärungen eines Patienten zur Behandlung werden allgemein akzeptiert, wenn sie vom Patienten im Gespräch mit dem behandelnden Arzt erklärt werden, z. B. im Vorfeld einer unter Narkose erfolgenden Behandlung. Ist der Betroffene jedoch nicht mehr ansprechbar beziehungsweise kann er keinen eigenen Willen mehr bilden, kann der Arzt die erforderliche Einwilligung in die Behandlung nicht mehr einholen.
Als „Patientenverfügung“ bezeichnet man die schriftliche Weisung einer Person, durch die sie als künftiger Patient die Vornahme bestimmter medizinischer Maßnahmen wünscht oder untersagt.
Wenn also sich jemand ohnehin im Endzustand einer unheilbar, tödlich verlaufenden Krankheit befindet und erleidet in diesem Zustand einen Herzstillstand, ist der Arzt grundsätzlich verpflichtet, seinen Patienten zu reanimieren und gegebenenfalls mit Gerätemedizin weiter am Leben zu halten. Dies entspricht aber unter Umständen nicht mehr dem tatsächlichen Willen des Patienten. Allerdings steckt der behandelnde Arzt in dem Dilemma, dass er den Patienten selbst nicht mehr fragen kann, ob er mit einer lebensverlängernden Behandlung einverstanden ist.
Sinn und Zweck der Patientenverfügung ist es, dem Willen des Behandelten für den Fall zur Durchsetzung zu verhelfen, dass er sich nicht mehr selbst äußern kann.
Da diese Form der vorzeitigen Einwilligung in eine zukünftige ärztliche Behandlung nicht gesetzlich geregelt war, bestand in der Vergangenheit eine große Rechtsunsicherheit sowohl auf Seiten der Patienten, als auch auf Seiten der Ärzte, die eine Patientenverfügung nicht anerkennen mussten.
Der Gesetzgeber hat inzwischen reagiert: Gemäß § 1901 a Abs. 1 BGB liegt eine Patientenverfügung vor, wenn ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt hat, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt.
Eine Patientenverfügung ist stets rechtlich erheblich bzw. „verbindlich“. Art und Ausmaß ihrer Verbindlichkeit bestimmt der verfügende Patient selbst, indem er entweder eine Entscheidung bereits vorwegnimmt oder Vertreter und Arzt die Entscheidung überlässt und dafür konkrete Wünsche äußert oder ihnen seine Vorstellungen und Einstellungen lediglich mitteilt. Die Patientenverfügung richtet sich also zunächst an den behandelnden Arzt sowie das Pflegepersonal. Sofern ein Betreuer bestellt ist oder ein Bevollmächtigter für den Patienten handelt, richtet sie sich als Betreuungsverfügung auch an den Betreuer bzw. als Anweisung im Sinne des § 662 BGB an einen Bevollmächtigten.
Je konkreter der Wille geäußert wird, desto stärker bindet er später die Beteiligten. Deshalb ist dringend davon abzuraten, eine Patientenverfügung auf Grundlage eines Vordrucks/Formblatts zu erstellen, die in großer Zahl durch das Internet geistern oder bei Arzt, Krankenhaus oder karitativen Einrichtungen ausliegen und in denen lediglich noch die persönlichen Angaben und die eigene Unterschrift zu ergänzen sind.
Eine Patientenverfügung auf einem Formblatt reicht nur dazu, das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Man hat ja was gemacht !
Im Ernstfall kann der behandelnde Arzt den Inhalt der Patientenverfügung zurückweisen, weil er zum einen Bedenken hat, ob sich der Ersteller der Verfügung „in guten Zeiten“ tatsächlich ernsthaft mit dem Inhalt seiner Patientenverfügung auseinandergesetzt hat. Bei einem Formblatt dürfte dies regelmäßig nicht der Fall sein.
Hat der Arzt entsprechende Zweifel oder liegt die Erstellung der Patientenverfügung bereits weit zurück, ohne dass zwischenzeitlich noch einmal bestätigt wurde, dass der ehemals niedergelegte Patientenwille noch immer dem aktuellen Willen entspricht, geht die Patientenverfügung unter Umständen ins Leere.
Das Bundesjustizministerium warnt deshalb wie folgt:
„Gerade wegen der Vielzahl an Mustern und Formularen für Patientenverfügungen, die es in der Praxis gibt, sind viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert, welches Muster sie verwenden können und ob überhaupt die Verwendung eines Musters sinnvoll ist. So vielfältig wie die Wertvorstellungen und Glaubensüberzeugungen der Bürgerinnen und Bürger sind, können auch die individuellen Entscheidungen des Einzelnen sein, die sich daraus ergeben und die dann ihren Ausdruck in einer Patientenverfügung finden. Deshalb kann es kein einheitliches Muster geben, das für jeden Menschen gleichermaßen geeignet wäre.“
Deshalb ist es zwingend notwendig, sich durch einen Rechtsanwalt über die rechtlichen Folgen und den Inhalt einer Patientenverfügung beraten und durch den Anwalt eine maßgeschneiderte Patientenverfügung erstellen zu lassen. Diese sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und darin bestätigt werden, dass sich an deren Inhalt nichts geändert hat.
Es muss jedoch auch dafür gesorgt werden, dass die Patientenverfügung im Ernstfall zur Kenntnis gebracht beziehungsweise durchgesetzt wird. Hierfür müssen ebenfalls „in guten Zeiten“ eine oder mehrere Personen benannt werden, die als Vertreter des Betroffenen im Ernstfall fungieren können.
Im deutschen Recht gibt es nämlich eine gesetzliche Vertretung nur bei Eltern für ihre minderjährigen Kinder. Ist nichts geregelt, muss das Betreuungsgericht in einem nicht selten zeitaufwändigen Verfahren einen Betreuer für den betroffenen Patienten bestellen, der dann im Namen des Erkrankten die Entscheidungen trifft.
Ehepartner haben kein Recht, Entscheidungen für ihren nicht handlungsfähigen Partner zu treffen, Kinder dürfen keine rechtlichen Maßnahmen für die Eltern veranlassen. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben im Falle von Krankheit oder Unfall keinerlei Rechte gegenüber dem Krankenhaus, Ärzten oder Pflegepersonal.. Der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erhält darüber hinaus keine Einsicht in die Krankenunterlagen und darf keine medizinischen Entscheidungen für den Betroffenen treffen.
Das Gericht wählt dabei als Betreuer die Person aus, die ihm am geeignetsten erscheint. Das kann, muss aber nicht der Partner oder nächste Verwandte sein. Häufig – z.B. wenn dem Vormundschaftsgericht der Partner schon zu alt oder die Kinder nicht geeignet erscheinen – werden auch professionelle Fremdbetreuer (Berufsbetreuer, Rechtsanwälte etc.) eingesetzt, manchmal sogar gegen den Willen der nächsten Angehörigen. Der Betreuer entscheidet alle Fragen des Betreuten, er kann dies auch gegen den Willen des Ehepartners oder nächsten Verwandten tun. Berufsbetreuer erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die nicht unerheblich sein kann.
Um den Eintritt einer solchen Situation zu vermeiden, ist es also dringend anzuraten, „in guten Zeiten“ eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht nebst Betreuungsverfügung zu verfassen und darin festzulegen, wer in dieser schweren Zeit Krankenhaus, Arzt und Pflegepersonal gegenüber zu entscheiden hat.
Sprechen Sie uns an. Wir sind Spezialisten in diesem Rechtsgebiet und beschäftigen uns täglich mit den Rechtsproblemen, die im Falle von Krankheit, Alter und Gebrechlichkeit auftreten können.