Der im Erbfall bestehende und auch durch das Grundgesetz geschützte Anspruch der Kinder auf einen Pflichtteil kann nur unter sehr engen Voraussetzungen wirksam ausgeschlossen werden (§ 2333 BGB). Das Oberlandesgericht Frankfurt hat dies nochmals bekräftigt (Urteil vom 29.10.2013, 15 U 61/12).
In dem zugrunde liegenden Fall bestand Streit darüber, ob die Tochter des Erblassers einen Anspruch auf ihren Pflichtteil hatte. Der Erblasser war seit einem Unfall pflegebedürftig gewesen. Da seine Tochter die Pflege allerdings nicht übernahm, wurde sie durch ein Testament enterbt mit der Äußerung, die Tochter solle „nichts erben“. Im Gegenzug wurde die Frau, die die Betreuung und Pflege übernahm, als Alleinerbin eingesetzt. Diese vertrat daher die Ansicht, dass die Tochter des Erblassers keinen Anspruch auf einen Pflichtteil habe.
Das Oberlandesgericht Frankfurt schloss sich der Entscheidung des Landgerichts an und bejahte einen Anspruch der Tochter auf ihren Pflichtteil gem. § 2303 BGB. Ein Entzug dieses Pflichtteils komme nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere sei zu beachten, dass nach dem Gesetz der Unterhalt – wenn überhaupt – nur in Geldleistungen zu erbringen sei und nicht durch persönliche Pflege, so dass der Vater hierauf schon keinen Anspruch habe. Im Übrigen müsse für eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht eine „verwerfliche Gesinnung“ bestehen. Dies sei vorliegend schon deshalb zu verneinen, weil die Tochter im Zeitpunkt des Eintritts der Pflegebedürftigkeit des Vaters gerade 16 Jahre alt war. Nicht jedes Fehlverhalten des Kindes, welches zu einer Entfremdung oder zu einem Zerwürfnis mit dem Erblasser führt, rechtfertige eine Pflichtteilsentziehung. Andernfalls würde das Pflichtteilsrecht der Kinder ins Leere laufen und jede praktische Bedeutung verlieren.
Das Gericht konnte die interessante Frage offen lassen, ob nach dem Wortlaut des selbst gefertigten Testaments des Erblassers überhaupt eine Pflichtteilsentziehung vorliegt: Möglicherweise wäre das Testament dahin auszulegen gewesen, dass die Tochter soweit „enterbt“ sein sollte, wie es gesetzlich möglich ist, so dass der Erblasser ihr von vornherein den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch belassen wollte.
Das Urteil zeigt zweierlei: Zum einen besteht bei einem selbst verfassten Testament ohne juristische Beratung die Gefahr, dass Unklarheiten in der Ausdrucksweise zu Streitigkeiten führen (z.B. „nichts erben“ oder „nichts erhalten“). Zum anderen sind der Testierfreiheit des Erblassers insbesondere durch das Pflichtteilsrecht enge Grenzen gezogen. Ohne vorherige juristische Beratung sollte daher ein Testament nicht im Alleingang verfasst werden.