Viele Unklarheiten ranken sich um das Pflichtteilsrecht. Wer ist pflichtteilsberechtigt ? Welche Rechte ergeben sich aus dem Pflichtteil und wie errechnet man den Pflichtteilsanspruch ? Und auf der Seite des Erblassers: Kann man den Pflichtteilsanspruch ausschließen oder wenigstens reduzieren ? Die wichtigsten Fragen rund um den Pflichtteil beantworten wir in unserer Beitragsreihe „Der Pflichtteil“.
Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich nicht um ein Erbrecht, sondern lediglich um einen Rechtsanspruch gegen den Erben bzw. die Erbengemeinschaft, der sich auf Ehe oder Verwandtschaft stützt und auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist. Der Pflichtteilsberechtigte hat grundsätzlich kein Mitspracherecht bei der Verteilung des Nachlasses.
Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall. Er verjährt in drei Jahren von Kenntnis des Erbfalls an; auch ohne Kenntnis verjährt er spätestens in 30 Jahren nach dem Erbfall.
Kinder sind pflichtteilsberechtigt
Pflichtteilsberechtigt sind die rechtlich so benannten „Abkömmlinge“ des Erblassers, also Kinder.
Abkömmlinge im Sinne des Pflichtteilsrechts sind ebenso wie bei der gesetzlichen Erbfolge auch Adoptivkinder und nichteheliche Kinder. Nichteheliche Kinder waren und sind nach der Mutter schon immer voll erbberechtigt. Seit dem 1. 4. 1998 sind sie auch in der Erbfolge nach ihrem Vater ehelichen Kinder voll gleichgestellt.
Lediglich nichteheliche Kinder, die vor dem 1. 7. 1949 geboren sind, waren bis vor kurzem nicht als Pflichtteilsberechtigte zu berücksichtigen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sah darin jedoch einen Verstoß gegen Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der deutsche Gesetzgeber hob im April 2011 die Stichtagsregelung im Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder rückwirkend für ab dem 29.05.2009 eingetretene Erbfälle auf.
Auch Ehegatten und Eltern sind pflichtteilsberechtigt
Darüberhinaus sind die
- Eltern des Erblassers,
- der Ehegatte des Erblassers und
- der (gleichgeschlechtliche) eingetragene Lebenspartner des Erblassers
pflichtteilsberechtigt.
Das Pflichtteilsrecht der Eltern und der entfernteren Abkömmlinge erlischt, wenn Abkömmlinge vorhanden sind. Bis dahin kann jedoch das gesetzliche Pflichtteilsrecht zu unliebsamen Folgen führen.
Beispiel:
A und B sind seit langem verheiratet. Die Ehe ist kinderlos geblieben. A und B haben sich testamentarisch gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. A verstirbt. Seine Ehefrau B wird Alleinerbin. Plötzlich bekommt sie Post von den noch lebenden Eltern des A. Sie machen ihren Pflichtteilsanspruch als Eltern des A geltend. B lässt sich anwaltlich beraten und ist erschüttert, als sie dort erfährt, dass der Anspruch der Eltern des A berechtigt ist.
Auch wenn die Geltendmachung von Pflichtteilen der Eltern nach dem verstorbenen Kind, wie im vorgenannten Beispiel, in der Praxis relativ selten ist, liegt die Entscheidung über das Geltendmachen des Pflichtteils nicht immer beim Berechtigten selbst. Wenn beispielsweise die Eltern pflegebedürftig sind und die Kosten für das Pflegeheim nicht aus eigenen Mitteln aufgebracht werden können, ist der Pflichtteil regelmäßig auch ein wirtschaftlicher Wert, der nach den sozialrechtlichen Vorschriften zur Sicherstellung der Pflege vom Sozialhilfeträger durchgesetzt werden kann.
Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch besteht in einem Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, zu dem der Pflichtteilsberechtigte im Falle gesetzlicher Erbfolge berufen wäre.
Beispiel:
Der geschiedene Erblasser hinterlässt 3 Kinder A, B und C. A und B sind testamentarisch zu je 1/2 als Erben eingesetzt. C erhält nichts. C ist somit als Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen. Er ist faktisch enterbt. Es steht ihm deshalb ein Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu. Der gesetzliche Erbteil des C würde 1/3 betragen. Der Pflichtteilsanspruch des C gegen die Erben A und B beläuft sich folglich auf 1/6.